c-hahm-die-blaue-tonne-vign4001.Kapitel

Ich arbeite, nein, besser ich schufte für einen international anerkannten US-amerikanischen Verlag als Wortstaubsauger, als Wortdrehmaschine, als Wortverdauer, als Wortversauer, als  Wortverbrennungsanlage, als Wortplastiker, als Wortchirurg, als Wortpolizist, als Wortgestalter, also als Lektor in untergeordneter Stellung, sprich Haltung, also verkrümmt, verbuckelt und letztlich vollständig enttäuscht, enttäuscht von allem von den Frauen und sehr oft auch vom Wetter, aber an erster Stelle von den Frauen. In einer Fachzeitschrift, die ja bekanntlich immer lügen, habe ich gelesen, dass 83% der Männer von den Frauen enttäuscht sind. Die Gründe sind wie man so sagt vielschichtig. Das Wort erinnert mich immer an Gesteinsformationen, die Millionen Jahre alt sind. Den meisten Männern fällt das Gemeckere der Frauen auf die Nerven, ihr Hang alles besser zu wissen. Während ich diesen Gedanken trübsinnig nachhänge, sehe ich eine Fliege (Brachycera) an der Fensterscheibe innen und ich beobachte wie das Tier verzweifelt versucht die Freiheit zu gewinnen. Aber die Fliege wird das nie schaffen. Die krabbelt wie blöde die Scheibe hinauf und hinunter und somit ist die Fliege ein Sinnbild meiner selbst. Nach der Art, wie die Fliegen aus ihren Puppen schlüpfen, gliedert man sie in die Untergruppen der Spaltschlüpfer (Orthorrhapha) und Deckelschlüpfer (Cyclorrhapha). Ich bin mit Sicherheit ein Spaltschlüpfer. Ich könnte die Fliege befreien, indem ich das Fenster öffne, aber ich habe Angst, dass der Fensterflügel hinab in den Hof fällt und mit dem spitzen rechten Holzwinkel des morschen Rahmens in den Kinderwagen, der unten im Hof parkt, stürzt  und das Baby, welches dort im süßen Muttersaft selig vor sich hin dämmert, erschlägt oder aufspießt und ich, der vom Wahnsinn der Zeit umgarnte Junglektor, die restliche Lebenszeit in der schlecht sortierten Bibliothek einer Strafvollzugsanstalt verbringen darf, was bei genauer Betrachtung vielleicht gar nicht einmal so dumm wäre. Aus diesen Gedanken  reißt mich diese Frau Eisleben, die nichts weiter zu tun hat, als die eingegangen  Manuskripte auf den Schreibtischen der Lektoren zu verteilen. Ohne anzuklopfen fliegt die Tür auf und die Eisleben legt mir Nachschub auf den Tisch. Dann geht sie zum Fenster und öffnet ungefragt einen Flügel. Vorsicht, warne ich, der fällt runter in den Hof. Da steht ein gelber Kinderwagen und da fällt der Flügel rein und erschlägt ein bleiches dickes Baby. Glasssplitter im Kopf und so. Blödsinn, sagt die Eisleben, erstens hänge der Flügel korrekt in den Scharnieren und da unten würde auch kein Kinderwagen stehen, schon gar kein gelber. Dann müsse ich wohl Halluzinationen haben, sage ich. Mir würde es an frischer Luft fehlen, sagt die Eisleben. Hier müsse mal gelüftet werden, sagt sie, man ersticke ja förmlich. Ob sie sich Sorgen um mich machen würde, will ich wissen, aber immerhin habe sie eine Fliege gerettet. Eine was, will sie wissen und guckt, nein glotzt mich mit ihren dreiundzwanzig Jahren an, als habe sie die Nacht in der Disco mit ihrer besten Freundin verbracht und die heißt Extacy. Sie waren wohl wieder in der Disco, sage ich, Ihre Augen sehen ja aus, als ob Ihnen die Dinger gleich raus platzten. Sauen Sie bloß nicht meinen Schreibtisch voll. Oder trägt man die Augen jetzt so? Sie fragt, ob ich wisse was mein Problem sei? Natürlich, sage ich, ich bin ein böser alter Mann und beiße Ihnen gleich in den Arsch. Ich hätte doch gar keine Zähne mehr, lacht mir die Eisleben frech ins Gesicht und liegt mir eine froschgrüne Mappe auf den Tisch. Für Sie flötet sie, Frauen sind doch Ihr Spezialgebiet. Sie sind ein schnippisches kleines Ding, sage ich und sie sagt, vor Männern Ihres Schlages habe sie schon ihre Mutter gewarnt. Und wirft die Tür ins Schloss. Und ich schlage die froschgrüne Mappe auf und lese notgedrungen die Überschrift: Die Tonne. Aha, denke ich, die Tonne. Das klingt wirklich spannend. Ich tippe als unbedarfter Leser auf einen Umweltskandal, indem eine Tonne die Hauptrolle spielt. Sehr wahrscheinlich, denke ich naiv wie ich nun einmal bin, sehr wahrscheinlich ist die Tonne schlecht gesichert, rollt von der Ladefläche eines Lastwagens auf die Autobahn, am Horster Dreieck, dort kracht die Tonne auf die Fahrbahn, der Deckel springt ab, einer von diesen vollbescheuerten Audifahrern rauscht über den Deckel und verabschiedet sich nach rechts über die Leitplanke in diese kleinen Krüppelkiefern, während eine dickliche grünliche Soße aus der zerbeulten Tonne fließt und  gleich mal den ganzen Asphalt zerfrisst, aber hallo. So mit knarzenden Geräuschen und viel giftigem Dampf, also gibt es auch noch diverse Auffahrunfälle und die Hamburger Morgenpost berichtet live vom Schauplatz und die Gaffer, die sich bei solchen Großereignissen per Handy verabreden, verdampfen in Scharen und fallen alle tot um, weil ihnen der Dampf die Lungen zerätzt.  Der Lastwagen ist natürlich nicht versichert, hat aber ein Husumer Kennzeichen, ist also nicht in Polen oder Rumänien zugelassen, was einen fremdenfeindlichen Anstrich zunächst einmal ausschließt. Alles eine bekannte Scheiße. Und aus dem Dampf der Tonne formen sich meterlange glitschige Fettwürmer mit acht Köpfen, die alles auffressen was sie erwischen können. Autoblech, Glasscheiben, Leitplanken und Kleinkinder. Die Kleinkinder vernaschen sie quasi zum Nachtisch. Also Hamburg wird aufgefressen. Die Elbbrücken stürzen zusammen als seien sie aus Streichhölzern gebaut und so weiter. Hollywood hat auch schon angeklopft. Nun ja. Damit hier nun kein falscher Eindruck über die Tätigkeit eines Lektors in untergeordneter Stellung entsteht, muss ich natürlich auch Alternativen akzeptieren und dies schon deshalb, weil ich ja im Verlag von dieser Eisleben immer Manuskripte bekomme, sie sich im weitesten Sinne mit der Problematik Frau – Mann beschäftigen. Da kann ich Ihnen, lieber Leser, liebe Leserin gleich sagen, da hat ja in den letzten Jahren, was sage ich, in den letzten Jahrzehnten ein Paradigmenwechsel stattgefunden, der sich laut Dr. Google wie folgt definiert: In der Umgangssprache wird von „Paradigmenwechsel“ öfter in unspezifischerem Sinne gesprochen. Entweder sind dann für besonders wichtig gehaltene wissenschaftliche Entwicklungen gemeint oder beispielsweise ein Wechsel der Lebenseinstellung (etwa grundlegende Werte betreffend) oder auch Umbrüche in anderen lebensweltlichen oder fachlichen Zusammenhängen. Insofern könnte ich was die Tonne angeht noch eine Überraschung erleben, eine Liebesgeschichte lesen, die wirklich ans Herz geht. Vielleicht verliebt sich einer der Fettwürmer mit den acht Köpfen in eine lesbisch veranlagte Unfallärztin.

Nach diesen Überlegungen und Erkenntnissen sah ich zur Uhr. Kantinenzeit. Obwohl das bei uns im Haus sehr flexibel gehalten wird. Wer Hunger oder Durst oder einfach eine räumliche Veränderung braucht, um wieder sachdienliche Gedankengänge formulieren zu können, geht in die Kantine, den Abfütterungsraum, der sich im Penthaus des Verlages befindet und keine Wünsche offen lässt. Sogar ein Swimmingpool ist für die Belegschaft vorhanden. Nur fehlt schon seit Monaten das Wasser. Bautechnische Hindernisse. Über das kulinarische Wohlbefinden wacht ein französischer Meisterkoch mit seinem Stab. Natürlich wird die Belegschaft nach modernsten Methoden abgefüttert. Die Fleischfresser kommen ebenso zu ihren gefüllten Tellern und Suppennäpfen wie die Vegetarier oder die Veganer. Auch ist der Speisesaal in vier Abteilungen aufgeteilt, die aber unterschiedlich groß sind. Der Bereich der Karnivoren ist schon ein ziemlich kleines Gehege, welches mit Gummibäumen eingezäunt ist, der Bereich der  Vegetarier, also dieser Salat und Gurkenfresser, im Gegensatz ziemlich groß, aber nicht ganz so groß wie der Bereich der Veganer und ähnlich groß wie der Fleischfresser ist der Bereich für die Leute die gar nichts fressen wollen. Der Küchenplan wird wöchentlich mit dem Betriebsrat durchgesprochen. In der lichtarmen Herbst und Winterzeit werden ärztlich geprüfte Vitamine ins Essen gemischt, die Frohsinn und Heiterkeit bewirken, denn es liegt ja auf der Hand, dass ein Konzern wie der von dem ich hier Rede keine kranke oder geschwächte Belegschaft gebrauchen kann, das stört die Auflage und die Rendite und gefährdet letztlich die Arbeitsplätze. Das Mobiliar ist aus Plastik und hellblau wie im Kindergarten. Hellblau soll den Appetit anregen. Grün zum Beispiel regt die Verdauung und die Ausscheidungsorgane an, deshalb sind die Waschräume für Damen, Herren und doppelgeschlechtlich fühlende Personen grün gestrichen, denn wenn eine Arbeitskraft stundenlang auf dem Klo hockt und wie man umgangssprachlich sagt nicht zu Potte kommt, geht dem Konzern wieder wertvolle Arbeitszeit verloren. Die sind ja nicht blöde, die da oben in der Chefetage. Die haben für solche Fragen fachkundige Berater und die werden um Rat und Meinung gebeten. Die Fensterfronten gestatten einen herrlichen, einen Blick, der wie ich oft höre zum Niederknien sei über den prächtigen Hamburger Hafen mit all seinen Schiffen, Kränen, Barkassen und sonstigen Spielereien einer den Weltmarkt versorgenden Handelsmetropole. Ich habe aber noch nie jemanden in kniender Haltung vor den Fensterfronten angetroffen, genau so wenig wie ich oft höre, das dieses oder jenes um Totlachen sei. Auch da fehlt es an Beweisen. Was allerdings den Ausspruch Das sei ja zum verrückt werden angeht, den kann ich bestätigen, der stimmt. Allein schon hier im Konzern arbeiten 1.300 Menschen von denen mit Sicherheit 1.299 in die geschlossene Anstalt nach Ochsenzoll gehören. Für die Ortsunkundigen: Ochsenzoll ist die Irrenanstalt Hamburgs. Wer der eine Normale ist, ist nicht schwer zu erraten. An den Zwischenwänden hängt leichtverdauliche Grafik. Wäre ja auch nicht gerade appetitanregend der Belegschaft Fotos von faschistischen Arbeits- und Vernichtungslagern aus der menschenverachtenden Vergangenheit des eigenen Landes anzubieten. So sieht man Liegestühle im Regen und Sonnenblumen im Feld. Der Fußboden ist mit rutschsicherem hellgrauen Linoleum ausgelegt, denn es wäre fatal, wenn die Damen und Herren mit ihren Tabletts ausrutschen würden und in den eigenen Fraß fielen. Die Beine der Tische und Stühle sind dünn und aus Chrom und die Möbel stammen all aus der Werkstatt eines portugiesischen Strafdesigners, äh, ich meine natürlich Stardesigners. Die Theke mit den unterschiedlichen Gerichten ist bestimmt dreihundert Meter lang. Da ich aber zu der aussterbenden Gattung der Fleischfresser gehöre ist mein Fressbezirk höchsten fünf Meter lang und gut überschaubar. Und man kennt mich. Wie immer, fragt der höfliche junge Mann in seiner weißen Verkleidung, der auf den schönen Namen Jerome hört, jedenfalls steht das auf seiner linken Brusttasche. Wie immer, sage ich. Also ein Wienerschnitzel mit Pommes und Majo.  Neben mir höre ich es im Vorübergehen abfällig hüsteln. Etwas mehr Toleranz wäre nicht schlecht, denke ich, lege meine Essensmarken auf den Tresen und wende ich mit meinem Tablett auf dem auch noch ein Stück Nusstorte Platz gefunden hat zu meiner Weide. Dort lasse ich mich an einem leeren Tisch nieder und schiebe das Tablett mittig vor mich. Alles Schiefe ist mir zu wieder. In Pisa könnte ich nicht leben. Draußen im Hafen geht’s schläfrig zu. Eine grüne Barkasse dampft wichtigtuerisch umher, sonst herrscht wie man umgangssprachlich sagt, tote Hose. Schön. Ich schaue mir mein Schnitzel an. Und mir stockt der Atem. Also das kann ich mir nicht bieten lassen. Das geht zu weit. Nicht mit mir. Auch ein Fleischfresser hat ein politisches Bewusstsein. Ich nehme also den Teller mit dem Schnitzel und gehe zurück zu diesem Jerome und halte diesem Kochknecht den Teller hin. Was ist das denn, frage ich. Jerome guckt erstaunt wie eine Gans, die eine Kuh erblickt. Blöder Vergleich. Das ist ein Schnitzel, sagt Jerome. Das sehe ich auch, sage ich, aber was für eine Form hat das Schnitzel. Schnitzelform eben, sagt Jerome und zuckt die Schultern. Schnitzelform, sage ich ungehalten, Sie halten mich wohl für blöde. Holen Sie einmal Ihren Chef. Nach ein paar Sekunden erscheint der Chef de la Cuisine. Was ich kann für Sie tun, Monsieur Birnbaum. Auf seiner mit goldenen Knöpfen benähten Uniform strahlen dort wo der Küchenknecht Jerome seinen Namen tragen muss, zwei gekreuzte Bratpfannen. Schauen Sie sich mal dieses Schnitzel an, sage ich. Ja, was ist mit diesem Schnitzel? Es sieht hervorragend aus, dünn gebraten, paniert, aus echtem Kalbfleisch. Ou est le problem?

Das Problem ist die Form, sage ich, das ganze Teil sieht aus wie das großdeutsche Reich in seinen Grenzen von 1942.

Comment?

Ja, sehen Sie einmal genau hin. Hier Elsaß-Lotrhringen, Eupen-Malmedy. Meine Gabel macht den historischen Aufklärer. Weiter Südkärnten, Sudetenland, Westpreußen, Posen, Memelland sowie den eingegliederten Gebieten Luxemburg, Generalgouvernement und Protektorat Böhmen und Mähren. Haben Sie dafür eine extra Backform oder was?

Geben Sie mal den Teller her, sagt der Küchenchef, das haben wir gleich.

Er haut einen Haufen Senf ins Zentrum des Schnitzels und fragt mich, ob ich wisse was das wäre? Senf, sage ich verblüfft. Aus Dijon sehr wahrscheinlich.

Das ist mehr als Senf, sagt der Küchenchef, dass ist die Hauptstadt des dritten Reiches. Berlin.

Interessante These, sage ich.

Es käme noch besser, sagt der Küchenchef, nimmt ein scharfes Messer und fragt mich wieder, was das wäre.

Sieht aus wie ein Küchenmesser, sage ich.

Das sei mehr als ein Küchenmesser, das ist die russische Armee. Und mit diesen Worten verschneidet er das Schnitzel. Er nimmt einen Pfefferstreuer. Ich weiß, dass ist ein Pfefferstreuer, sage ich, aber für Sie ist das was?

Englische Tiefflieger, sagt der Küchenchef.

Zum Schluss der Vorstellung schmattert er Ketchup auf die Pommes. Blut, schon klar, sage ich, und die Pommes sind deutsche Landser. Richtig, sagt der Küchenchef, und nun nehmen Sie Ihren Teller und putzen das weg. Oder soll ich das noch mal in der Mikro aufwärmen? Warum er nicht Professor für neuere Geschichte geworden wäre, frage ich, so anschaulich wie Sie das gerade erklärt haben, habe ich es noch nie gehört. Ich bin beeindruckt, nehme den Teller und gehe zurück auf meine Weide. Also, das Schnitzel schmeckt als sei es extra aus Wien eingeflogen worden, Küß die Hand Frau Gräfin, heute sehen Frau Gräfin wieder zum Anbeißen knusprig aus, wie ein Wiener Schnitzel eben. Die blutigen deutschen Landser schmecken auch nicht schlecht. Bei der Einspeichelung und Zerkauung der Schnitzelteile lasse ich mir Zeit. Ich gehe die Sache in aller Ruhe an und versuche auch links und rechts zu kauen, um eine einseitige Abnutzung meiner Zähne zu vermeiden. Gewerkschaftlich stehen mir 90 Minuten Kauzeit zur Verfügung. Da gibt es also keinen Grund alles runter zu schlingen. In sofern hat sich schon eine Menge für die Arbeitnehmer verbessert. Die Geräusche in der Kantine sind gedämpft und kultiviert. Hier stößt niemand laut auf oder grölt nach Bier. Die Damen sind was meine täglichen Zählungen angehen eindeutig in der Überzahl. Die männlichen Mitarbeiter im Haus sind alle aufs beste abgerichtet. Da blökt keiner mehr und wenn, dürfte er auf der mit Zierbäumen bestückten Terrasse sofort entmannt werden. Zum Schluss dieser lehrreichen Mahlzeit nehme ich mir das hellbraune Napfküchlein vor. Erinnert mich jetzt sofort an Nürnberg. Also drücke ich mit dem Löffel, der sich in einen amerikanischen Sturzbomber verwandelt  das Küchlein platt. Und während ich da so drücke und matsche, sehe ich im veganischen Bereich der Kantine, diese Eisleben, wie sie in einem offenbar hochwichtigen Gespräch mit zwei Damen aus der oberen Führungsetage sitzt. Nach meiner Einschätzung der Dinge kann es sich dabei nur um die Entlassung der Eisleben handeln, denn die Dame sieht zwar ganz ansprechend aus, aber ihre fachlichen Fähigkeiten scheinen mir doch eher unterentwickelt zu sein. Und was ist das überhaupt für eine Arbeit immerzu Manuskripte zu verteilen oder einzusammeln. Dafür hat die Dame zwölf Semester Germanistik studiert. Armes Kind, denke ich, das Beste für dich wäre, du würdest so schnell wie möglich heiraten. Hier in der Firma laufen doch genug Hirnis rum, die ganz scharf auf so verklemmte Sexbomben sind. Und die Eisleben ist eine verklemmte Sexbombe, eine von der Sorte, ich weiß was ich bin, aber ich sag es nicht jedem. Wozu auch. Man sieht es ja auch ohne Worte. Ich jedenfalls. Bei den Veganern werden Papiere ausgetauscht. Sehr wahrscheinlich die Entlassungsdokumente, die die Eisleben nun unterschreiben muss. Ich würde die Eisleben heiraten. Bei mir hätte sie es gut. Aber die Frauen glauben mir das ja nicht. Bisher nicht. Vielleicht ist die Eisleben ja anders. Nachdem ich nun bei diesen erhellenden Gedankengängen Nürnberg verputzt habe, fühle ich mich zwar gestärkt, aber auch müde. Am liebsten würde ich gleich hier am Tisch einschlafen, aber das geht natürlich nicht. Also stehe ich auf und gehe betont langsam an dem Tisch der Veganerdamen vorüber. Vielleicht kann ich Gesprächsfetzen aufnehmen und sinnvoll ergänzen. Leider wird daraus aber nichts, denn der Chef de la Cuisine spricht mich von links laut an und fragt wie mir das Großdeutsche Reich bekommen wäre. Gut, sage ich, bisher musste ich nicht brechen. Kotzen wollte ich wegen der Veganerinnen nicht sagen, reihern finde ich blöde, spucken albern. Mit diesen Worten entfloh ich aus dieser Stätte der Sättigung zurück in mein Einmannraumbüro, nahm brav abgerichtet an meinem Schreibtisch Platz und schlug das Manuskript mit dem Titel ‚Die Tonne’ auf. Willkommen bei den Fettwürmern, dachte ich, nahm meinen Rotstift und schaute zur terminlichen Absicherung auf die Uhr. Vierzehn Uhr. Jedes Manuskript bekommt von mir eine Stunde. Wenn es dann nicht funkt, weg damit in die Ablage Schredder.

© Constantin Hahm 2012